Kollaboratives Komponieren in der Frühen Neuzeit
Träger: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Laufzeit: 2023–2026
Motivationen, Kontexte und Modelle kompositorischer Zusammenarbeit (1470–1620)
Künstlerische Produktion unterliegt durch das Paradigma individueller Autorschaft bis heute in der Regel einer individualpoetischen Lesart. Kulturelle Artefakte, seien sie literarischer, bildkünstlerischer oder klanglicher Art, verdanken sich jedoch nie nur der Leistung von Einzelnen; sie entstehen immer im Zusammenspiel verschiedener Akteure und vielfältiger Faktoren der Tradition, Kommunikation und Rezeption. Die Prozesse und Praktiken der Zusammenarbeit im Rahmen der Produktion frühneuzeitlicher Musik stellen dabei ein bislang nur unzureichend bearbeitetes Forschungsfeld dar. Kollaborative Handlungszusammenhänge sind im Musikleben der Frühen Neuzeit zwar allgegenwärtig: So arbeiten Schreiber bekanntermaßen mit Illuminatoren zusammen, Kapellmeister mit Sängern oder Instrumentalisten, und Komponisten kooperieren sowohl mit Auftraggebern als auch mit Druckern oder Verlegern. Gerade Kollaborationen zwischen Komponisten sind bislang jedoch nicht umfassend erforscht.
Unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit machen das Phänomen kollaborativen Komponierens mehrdimensional: Von kleinen Revisionen und Korrekturfahnen der Komponistenkollegen bis zur gemeinschaftlichen Vertonung größerer Textkorpora, von der einmalig in Co-Autorschaft veröffentlichten Anthologie bis zum mehrfachen Auftritt als geschlossenes Komponistenkollektiv – im Rahmen frühneuzeitlicher Musikproduktion und -distribution nutzen Komponisten verschiedenste Interaktionsräume und Strategien zur Kollaboration.
Projektziel
Das Projekt untersucht unterschiedliche Motivationen, Kontexte und Modelle der Zusammenarbeit bei der Produktion musikalischer Texte im „langen“ 16. Jahrhundert. Im Rahmen von Fallstudien werden kollaborativ erarbeitete Werke und Werksammlungen unterschiedlicher Repertoires vorwiegend aus dem Umfeld deutsch- und italienischsprachiger Musikinstitutionen in ihre historisch-diskursiven sowie textkulturellen Rahmenbedingungen eingebettet. Kollaborationen sollen auf ihre didaktischen, sozialen und identitätsstiftenden Dimensionen auf individueller und institutioneller Ebene befragt werden, ebenso auf ihre Funktionen in der Entwicklung frühneuzeitlicher Autorisierung, Repräsentation und musikalischer Autorschaft sowie nicht zuletzt auf ihre Rolle in der Ausbildung und Festigung kompositorischer Konventionen, Normen und Ästhetiken.